Heute am 3. Juni 2015 wurde in Hannover ein neues Schulgesetz beschlossen.
Hier die Pressemitteilung des Kultusministeriums. Weitere Stimmen werden ebenfalls kurzfristig veröffentlicht.

 

Heiligenstadt: „Heute ist ein sehr guter Tag für ein sehr gutes Gesetz!“ – Überblick
über das neue Bildungschancengesetz

Zum 1. August 2015 tritt in Niedersachsen ein neues Schulgesetz in Kraft. Das hat der
Niedersächsische Landtag heute (Mittwoch) beschlossen.

Die Niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt erklärt dazu: „Heute ist ein
guter Tag für unsere Schülerinnen und Schüler, für Eltern, für Lehrkräfte, für Schulleitungen
und Schulträger. Mit diesem Schulgesetz wird unser Bildungssystem in Niedersachsen
gerechter, moderner und es bietet mehr Chancen und Möglichkeiten für alle. Es ist ein sehr
guter Tag für ein sehr gutes Gesetz! Die Landesregierung vertraut dem Elternwillen, sichert
die Vielfalt unserer niedersächsischen Schullandschaft und stellt diese auf zukunftssichere
Füße. Das Kapitel der Verbote und Hürden für Schulträger und Eltern in Niedersachsen ist
mit diesem Bildungschancengesetz endgültig geschlossen worden.“

Nachfolgend die wichtigsten gesetzlichen Änderungen im Überblick:

I. Grundschule und Überweisungsentscheidungen

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt: „Bereits seit Jahren wählen die Eltern sehr
verantwortungsbewusst die Schulform an, die sie für ihr Kind am geeignetsten halten. Statt
eine unverbindliche Empfehlung auszusprechen, ist es besser, die Eltern auf ihrem
Entscheidungsweg zu unterstützen.“

Die bisherige Schullaufbahnempfehlung am Ende des 4. Schuljahrgangs entfällt. Dadurch
werden der nicht kindgerechte Leistungsdruck im Primarbereich abgeschafft, die
Grundschulen entlastet und die sozial-selektive Wirkung der Empfehlung beendet.

Stattdessen wird geregelt, dass die Schulen den Eltern zwei Beratungsgespräche im vierten
Schuljahrgang anzubieten haben. Mit den Gesprächen soll erreicht werden, dass die
Erziehungsberechtigten optimal vorbereitet eigenverantwortlich über den weiteren
Bildungsweg ihres Kindes entscheiden können.

Durch die Möglichkeit zur Weiterführung der Eingangsstufe in Klasse 3 und 4 wird eine
weitere Form jahrgangsübergreifenden Unterrichts eingeführt.

Durch den Wegfall der Schullaufbahnempfehlung fällt auch ihre rechtliche Bedeutung bei
Überweisungsentscheidungen am Ende des 6. Schuljahrgangs ersatzlos weg. Durch das
Gesetz wird das „Sitzenbleiben“ also nicht abgeschafft, sondern im Gegenteil die
pädagogische Kompetenz der Klassenkonferenz gestärkt, da jeder Einzelfall unter
Abwägung aller versetzungsrelevanten Aspekte einer pädagogischen Gesamtüberprüfung
zugeführt wird. Die Schule wird das Ergebnis der umfassenden Überprüfung in einem
Konferenzprotokoll zu dokumentieren haben.

II. Abschied vom „Turbo-Abi“ und neues G9

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt: „Die längere Lernzeit am Gymnasium nimmt den
Stress aus der Schule und den Familien und bietet mehr Bildungschancen für alle
Schülerinnen und Schüler. Mit unserem neuen Abitur sichern wir die hohe Qualität des
Abiturs in Niedersachsen, fördern vertieftes, nachhaltiges Lernen und bereiten die jungen
Menschen besser auf das Leben nach der Schule vor.“

Mit dem neuen Schulgesetz führt Niedersachsen einen neuen dreizehnjährigen
Bildungsgang an Gymnasien und an den nach Schulzweigen gegliederten Kooperativen
Gesamtschulen ein. Damit schafft Niedersachsen als erstes Bundesland das so genannte
„Turbo-Abi“ ab und gibt den Schülerinnen und Schülern mehr Zeit zum Leben und Lernen.
Die Schulzeit wird gestreckt, aber nicht mehr Stoff in die Lehrpläne gepackt. Somit bleibt
mehr Zeit, um jede Schülerin und jeden Schüler besser individuell zu fördern und den
Übergang von der Schule in das Studium oder den Beruf intensiver zu begleiten.

Die Umstellung auf die dreizehnjährige Schulzeitdauer bis zum Abitur wird mit dem
Schuljahr 2015/2016 beginnen. Dabei sollen die Schuljahrgänge 5 bis 8 einbezogen

werden. Der erste Schuljahrgang wird dann im Schuljahr 2020/2021 sein Abitur nach 9
Jahren ablegen. Die Aushändigung der Abiturzeugnisse kann also dann im Jahr 2021
erstmalig an die neuen G 9 Jahrgänge erfolgen. Es bleibt Schülerinnen und Schülern in
Niedersachsen durch Überspringen eines Schuljahrgangs auch zukünftig möglich, das
Abitur individuell bereits nach 8 Jahren zu erwerben.

III. Gleichbehandlung der Schulformen

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt: „Mit der Gleichbehandlung der Schulformen
erreichen wir mehr Gestaltungsfreiheit für die Schulträger und eine breite Vielfalt des
Bildungsangebotes vor Ort – damit kein Kind mehr wegen einer zu geringen Anzahl von
Plätzen an einer Schulform abgewiesen werden muss. Das war bei den Gesamtschulen in
der Vergangenheit häufig der Fall, diesen Missstand haben wir heute beendet.“

Das Gesetz sieht Änderungen vor, mit denen die Ungleichbehandlung der Schulform
Gesamtschule im Vergleich zu den übrigen Schulformen abgebaut wird. Die Gesamtschule
wird rechtlich an die der Oberschule angeglichen, was bedeutet, dass Schulträger, die eine
Gesamtschule führen, künftig – wie bei Oberschulen – von der Pflicht befreit sind, Haupt-
und Realschulen zu führen. Von der Pflicht Gymnasien zu führen ist der Schulträger nur
befreit, wenn der Besuch eines Gymnasiums unter zumutbaren Bedingungen gewährleistet
ist. Soweit dies den Besuch eines Gymnasiums außerhalb des Gebiets des Landkreises
oder der kreisfreien Stadt voraussetzt, tritt die Befreiung nur ein, wenn der Schulträger
darüber mit dem Schulträger des auswärtigen Gymnasiums eine Vereinbarung gemäß
abgeschlossen hat. Damit erhält das Gymnasium als einzige Schulform in Niedersachsen
einen doppelten Bestandsschutz.

Gesamtschulen können die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern in den
Sekundarbereich I künftig nicht mehr beschränken, wenn die Gesamtschule als „ersetzende
Schulform“ geführt wird. In diesem Fall müssen die Gesamtschulen alle Schülerinnen und
Schüler im Schulträgergebiet aufnehmen.

Das neue Schulgesetz macht es zudem möglich, neben Förderschulen, Hauptschulen und
Oberschulen ohne gymnasiales Angebot auch Oberschulen mit gymnasialem Angebot
sowie Gesamtschulen (IGS und KGS) mit Grundschulen organisatorisch in einer Schule
zusammenzufassen.

IV. Inklusion

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt: „Aktuelle Studien haben ergeben, dass
insbesondere Kinder mit einem Unterstützungsbedarf Lernen von der inklusiven
Beschulung profitieren. Für die Landesregierung ist entscheidend, Teilhaberechte zu
stärken und gute Rahmenbedingungen in den Bildungseinrichtungen zu schaffen, damit die
gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Inklusion erfolgreich zum Wohle der Kinder und
Jugendlichen mit und ohne Unterstützungsbedarf gelingt.“

Nach Auslaufen des Primarbereichs der Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen wird
auch die durch jahrgangsweises Auslaufen ausschleichende Aufhebung des
Sekundarbereichs I der Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen umgesetzt. Mit dem
Gesetz zur Einführung der inklusiven Schule vom 23. März 2012 ist bereits unter der
Vorgängerregierung geregelt worden, dass Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen
im Primarbereich aufsteigend ab dem Schuljahr 2013/2014 auslaufen. Mit dieser Regelung
folgt das Gesetz u.a. dem 1. Bericht des UN-Fachausschusses vom 17. April 2015 über
das Staatenprüfungsverfahren Deutschlands zum Stand der Umsetzung der UN-
Behindertenrechtskonvention. In dem Bericht der Vereinten Nationen wird Deutschland u.a.
gebeten, sofort Maßnahmen zu ergreifen, um ein inklusives Bildungssystem in allen
Bundes-ländern durchzusetzen sowie die Förderschulen abzubauen, um Inklusion zu
ermöglichen. In dem Bericht äußert der Fachausschuss zudem seine Besorgnis, dass in
Deutschland auch sechs Jahre nach Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention
immer noch die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen Förderschulen
besuchen.

In noch bestehende Jahrgänge der Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen können
Schülerinnen und Schüler der entsprechenden Schuljahrgänge noch aufgenommen
werden. Dabei ist es unerheblich, ob bereits eine Förderschule besucht wurde oder nicht.
Die Förderschulen im Förderschwerpunkt Sprache erhalten dagegen Bestandsschutz; dies
gilt auch für Förderklassen Sprache in anderen Förderschulen sowie Förderklassen
Sprache an Grundschulen. Die Eigenschaft und die Aufgaben der Förderschule als
Förderzentrum bleiben erhalten.

V. Stärkung der Ganztagsschulen

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt: „Gute Ganztagsschulen sind der Schlüssel zu mehr
Bildungsteilhabe für alle Schülerinnen und Schüler. Sie zu fördern ist daher auch das
Herzstück unserer Bildungspolitik. Die Ganztagsschule wird mit dem neuen Schulgesetz
endlich auch gesetzlich aufgewertet.“

Mit der Änderung von § 23 NSchG wird der zunehmenden Nachfrage nach (gebundener)
Ganztagsschule Rechnung getragen. Mit einem Ausbaustand von rund 60 % im Jahr 2014
wird deutlich, dass sich kommunale Schulträger, Schülerinnen und Schüler,
Erziehungsberechtigte und Lehrkräfte für die Ganztagsschule als Schule der Zukunft
aussprechen. Mit dem Gesetz wird eine klare Abgrenzung der Ganztagsschule von der
Halbtagsschule vorgenommen. Zudem wird die offene von den gebundenen Formen der
Ganztagsschule abgegrenzt. Ganztagsschulen stellen zukünftig eine kindgerechte,
lehrergerechte und lerngerechte Rhythmisierung des Schulalltags sicher.

VI. „Stundendeckel“ für Schulfahrten entfällt

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt: „Damit setzen wir weitere angemessene
Entlastungen um und setzen wir ein weiteres Zeichen der Anerkennung für unsere
Lehrkräfte. Wir kommen auch entsprechenden Wünschen der Lehrerverbände nach mehr
Rechtssicherheit nach.“

Das Gesetz nimmt Änderungen an der Niedersächsischen Arbeitszeitverordnung-Schule
vor: Es wird dort aufgenommen, dass Lehrkräfte für mehrtägige Klassenfahrten pro Tag um
eine Unterrichtsstunde zusätzlich entlastet werden sollen. Die derzeitige „Deckelung“ auf
maximal 4 Stunden entfällt somit. Ferner erhalten Schulleiterinnen und Schulleiter von
Förderschulen für die Förderzentrumsarbeit eine Entlastung von der jeweiligen
Unterrichtsverpflichtung von 3 Stunden.